Wissenschaftsakademie Berlin
    Betr.: Frühlingstrimester 2003
    Studiengang Diplom-Design – In zwei Wochen zum Design-Diplom





    Süddeutsche Zeitung, 10.05.03
    Interview mit Rafael Horzon zum Studiengang Diplom-Design



    Seit sechs Jahren gibt es die Wissenschaftsakademie Berlin (WA), an der man Seminare zu Themen wie "Der Schabrackentapir" oder "Die Geschichte des Fahrstuhls" belegen kann. Jetzt bietet die Akademie ein Design-Diplom in zwei Wochen an. Jutta Göricke fragte WA-Gründer Rafael Horzon (32), wie das geht.


    SZ: Bei Ihnen kann man in zwei Wochen Diplom-Designer werden. Muss das nicht allen, die jahrelang diszipliniert vor sich hin studiert haben, Tränen in die Augen treiben?

    Horzon: Das stimmt natürlich, aber denken Sie bitte auch an die Freudentränen, die ich meinen Studenten in die Augen treibe! Ich habe selber jahrelang lustlos Literaturwissenschaften studiert, ich weiss, wie nervenaufreibend und langweilig das Studium an gängigen Hochschulen ist. Deshalb habe ich 1997 mein Studium abgebrochen und die Wissenschaftsakademie Berlin gegründet, an der man sehr sehr schnell studieren kann, übrigens nicht nur im Fachbereich Design.


    SZ: Was ist Ihr Diplom aber tatsächlich wert?

    Horzon: Nicht mehr, aber auch nicht weniger als Diplome anderer Hochschulen. Nehmen Sie mich als Beispiel: Ich habe niemals Design studiert, und gestern las ich in der Süddeutschen Zeitung, dass ich erfolgreicher Designer bin! Wenn Diplome so überflüssig sind, soll man sie wenigstens sehr schnell erwerben können. Die Diplom- und Dokumentengläubigkeit ist eine deutsche Krankheit, die ich gerne bekämpfen möchte.


    SZ: Wie sieht das Studium praktisch aus?

    Horzon: Um einen Abschluss an der WA zu bekommen, muss man vier Seminare absolvieren. Diese Seminare bestehen aus einem einstündigen Vortrag. Jeder Student bekommt nach dem Seminar einen Leistungsnachweis. Mit zwei dieser Scheine erwirbt man automatisch das Vordiplom, mit vier Scheinen das Abschlussdiplom. Natürlich kann man in so kurzer Zeit niemals bis ins letzte Detail eines Themenbereichs vordringen. Aber auch hier weiss ich aus eigener Erfahrung: Die Zeit ausserhalb der Hörsäle ist viel fruchtbarer und lehrreicher als die innerhalb. Deshalb sollen unsere Studenten so wenig Zeit in der Hochschule verbringen wie möglich.


    SZ: Sie werfen den deutschen Hochschulen vor, schlecht ausgebildete Dozenten zu haben. Wer lehrt bei Ihnen?

    Horzon: Wichtig ist mir vor allem, die Trennung von Dozenten und Studenten aufzuheben: Jeder Student soll die Möglichkeit haben, auch Dozent zu sein. Generell kann also jeder, der sich intensiv mit einem Thema auseinander gesetzt hat und in der Lage ist, sein Wissen verständlich zu vermitteln, Dozent an der WA werden. Das bedeutet nicht, dass wir ein Forum für egozentrische Sonderlinge bieten. Wenn Sie sich die Liste unserer Dozenten ansehen, erkennen Sie: Alle Referenten sind erfahrene Spitzenkräfte in ihrem jeweiligen Arbeits- und Forschungsfeld. Der grosse Vorteil gegenüber anderen Hochschulen ist: Unsere Dozenten sind nicht verbeamtet, sie verlieren nicht die Glut in den Augen, denn ihre Laufbahn bei uns dauert nur eine Stunde.


    SZ: Sie haben der FU, der TU und der Humboldt-Universität eine enge Zusammenarbeit angeboten, was auf wenig Gegenliebe stiess...

    Horzon: Diese Ängstlichkeit ist typisch für denjenigen, der in einem fertigen Haus sitzt und sieht, wie sein Nachbar ein Haus baut, das schöner und grösser werden könnte als sein eigenes.


    SZ: Ihre Hochschule kennt weder Zulassungsbeschränkungen noch Studiengebühren, wie ist das möglich?

    Horzon: Ich habe 1999 die Unternehmensgruppe modocom gegründet, zu der zum Beispiel das Möbelhaus Moebel Horzon, die Fassadenfirma Belfas, die Partnertrennungsagentur Separitas oder die Dekorationsfirma Wandekor gehören. Durch die Einnahmen wird die Wissenschaftsakademie finanziert.


    SZ: Was kann man als Absolvent der Wissenschaftsakademie - womöglich besser als andere?

    Horzon: Ich wünsche mir, dass unsere Studenten vor allem die Fähigkeit erwerben, grundsätzlich alles in Frage zu stellen und daraus Folgerungen zu ziehen, die für einen selbst und für alle anderen Gewinn bringen. Dafür muss man nicht einmal ein Studium an der Wissenschaftsakademie absolviert haben. Dafür muss man nur das Prinzip verstehen, das hinter der Akademie steht, und das sich auf alle Lebensbereiche übertragen lässt.