Wissenschaftsakademie Berlin



    Einführungsseminar "Schabrackentapir – Säuger des Dschungels", 08.05.1998. Vortragstext von Rafael Horzon






    Der Schabrackentapir


    Dia 1 (Tapir)
    Der Schabrackentapir (Tapirus indicus) gehört zu den wohl ungewöhnlichsten und bizarrsten Tieren unserer Erde. Er ist beheimatet in den tropischen Sumpfdschungeln Südostasiens, vorwiegend in Malaysia, Thailand und Indonesien.
    Als Unpaarhufer gehört der Schabrackentapir derselben Ordnung an wie das Nashorn und das Pferd (Ordnung Perissodactyla), in Aussehen und Verhalten ähnelt er jedoch mehr dem Wildschwein und dem Flußpferd. Gemeinsam mit drei anderen, in Süd- und Mittelamerika lebenden Tapirarten bildet der Schabrackentapir die Gattung Tapirus.
    Seinen Namen verdankt das Tier seiner auffälligen Körpermusterung, der vom restlichen, schwarzen Körper scharf abgesetzten weißen bis silbergrauen "Schabracke", die sich von Schulter bis Hinterbein erstreckt. Der Ausdruck "Schabracke" (der umgangssprachlich auch eine unansehnliche Frau bezeichnet) stammt ursprünglich aus dem Türkischen und bezeichnet die reichverzierte farbige Decke unter dem Reitersattel. Im Gegensatz zur "Schabrunke", der Decke über der Reitersatteltasche. In anderen Sprachen heißt das Tier nach dem Ort seines Vorkommens schlicht "Malaischer Tapir" (Malayan tapir, Tapir de l'Inde).

    Dia 2 (junge Tapire)
    Die typische Färbung des Schabrackentapirs bildet sich erst im zweiten Lebensjahr aus, bei den Jungtieren ist das Fell ähnlich wie bei Frischlingen mit unterbrochenen weißen Längsstreifen und Punkten auf dunklem Grund gezeichnet. Dadurch sind sie im Bambus- oder Schilfdickicht gut getarnt und entgehen leicht der Aufmerksamkeit ihrer Feinde, hauptsächlich Tigern und Leoparden.

    Dia 3 (Tapir)
    Schabrackentapire werden bis zu 2,5 Meter lang, bis zu 120 cm hoch (Schulterhöhe) und bis zu 300 kg schwer. Der Schwanz ist nur als Stumpf ausgebildet und wird nicht länger als 5 bis 10 cm.
    Der Körper des Schabrackentapirs ist ziemlich untersetzt und kurz und seitlich etwas zusammengedrückt. Das Profil der Kopfoberseite ist auffällig gerundet, der Kopf selbst endet in einem kurzen, konischen, sehr beweglichen Rüssel, der aus der verlängerten Nase und Oberlippe gebildet wird. Am Ende dieses Rüssels befinden sich die Nasenöffnungen, die als seitliche Schlitze ausgebildet sind. Die kleinen Augen sind gut geschützt, die Ohren sind kurz und rundlich, aufrecht und ziemlich unbeweglich.
    Der Hals ist sehr muskulös, die Beine sind im Verhältnis zum massigen Körper recht kurz. Die Hinterfüsse haben vier Zehen, die Vorderfüsse nur drei, die übrigen sind zurückgebildet. Zur Unterscheidung von Paarhufern und Unpaarhufern: Bei den Paarhufern (z.B. Schweine, Rinder, Hirsche oder Büffel) lastet das Körpergewicht auf dem 3. und 4. Zeh, die übrigen Zehen sind mehr oder weniger zurückgebildet. Bei den Unpaarhufern unterscheidet man wiederum zwischen Einzehern (Pferden) und Dreizehern (Nashörnern und Tapiren).

    Dia 4 (Südam. Tapir)
    Neben dem asiatischen Schabrackentapir gibt es drei weitere, amerikanische Tapirarten: Diese sind etwas kleiner und schlanker und besitzen auch dünnere Beine. Die am weitesten verbreitete Art ist Tapirus terrestris, der Südamerikanische Tapir, der etwa 2m lang und 1 m hoch wird. Er kommt von Kolumbien und Venezuela bis zum Gran Chaco in Paraguay und zum Staat Rio Grande do Sul in Brasilien vor und bewohnt hauptsächlich dichte tropische Regenwälder.

    Dia 5 (Bergtapir)
    Die beiden anderen amerikanischen Tapirarten sind seltener und in ihrer Verbreitung mehr beschränkt. Die interessanteste Art ist der Bergtapir (Tapirus pinchaque oder Tapirus roulini), eine kleinere und leichter gebaute Art. Er wird 1,8 m lang, an der Schulter 80 cm hoch und lebt in Höhen von 2000 bis 4000 m in den Anden von Kolumbien und Ecuador.

    Dia 6 (Mittelam. Tapir)
    Die dritte Art, der Mittelamerikanische Tapir (Tapirus bairdi) ist ebenfalls sehr selten und dem Aussterben nahe. Er ist von Südmexiko bis nach Kolumbien und Ecuador verbreitet, dort aber nur im Gebiet westlich der Anden.

    Dia 7 (Zeitungsausschnitt)
    Während die braungefärbten amerikanischen Tapire in unseren Tiergärten verhältnismäßig häufig gezeigt werden, ist der Schabrackentapir ein ausgesprochen seltener und kostbarer Pflegling. Deshalb galt es als Sensation, als vor zwei Jahren im Berliner Zoo erstmals in der 151jährigen Geschichte dieses Tiergartens Nachwuchs bei den Schabrackentapiren zur Welt kam. Wie der gezeigte Artikel vermerkt, wurde der Schabrackentapir wegen seines schmackhaften Fleisches in seiner Heimat gerne gejagt. Allerdings mit einigen Ausnahmen: In Süd-Burma etwa wurde der Tapir als heiliges Wesen verehrt und daher geschont, und in Malaysia wurde er in bestimmen Gebieten mit dem Ausbruch von Lepra in Verbindung gebracht und gemieden.

    Dia 8 (Zooschild Marie Maul)
    Heute ist der Abschuß der geschützten Tiere streng verboten, dabei kommt den Schabrackentapiren zugute, daß sie keinen als Trophäe geeigneten Körperteil besitzen wie zum Beispiel das Nashorn oder der Elephant, die häufig nur wegen ihrer Hörner und Stoßzähne gejagt werden. Auch der ausgestopfte Kopf des Schabrackentapirs macht im Vergleich mit Tiger- oder Löwenköpfen als Trophäe eine fragwürdige Figur. Die Hauptbedrohung für den sehr empfindlichen und sehr schwer anpassungsfähigen Schabrackentapir liegt daher heute in der fortschreitenden Besiedelung und wirtschaftlichen Ausbeutung seines Lebensraumes. Seine gefährlichsten natürlichen Feinde sind der Tiger und der Leopard.


    Teil 2: Verhalten

    Dia 9 (Lebensraum-Illustration)
    Bevorzugter Lebensraum der Schabrackentapire sind Gebiete mit sehr dichter Vegetation, und obwohl sie einen plumpen und unbehenden Eindruck machen, bewegen sie sich mit erstaunlichem Geschick auch durch den dichtesten Busch. Schabrackentapire sind nachtaktive und sehr scheue Tiere und gehen erst in der Dämmerung oder im Morgengrauen auf Nahrungssuche. Den Tag über verbringen sie in Schlafverstecken, wobei ihre Musterung sie erstaunlich gut tarnt. Auf offenem Feld wäre das Tier sehr auffällig, aber im dichten Wald ist es im Wechselspiel von Licht und Schatten nur sehr schwer zu entdecken. Der Schabrackentapir bevorzugt die Nähe von Gewässern, in die er sich bei drohender Gefahr flüchten kann. Im Grunde stellt diese Verteidigungstrategie ihren einzigen Schutz gegen Tiger und Leoparden dar, die den Tieren nur ungern ins Wasser folgen. Schabrackentapire dagegen sind ausgezeichnete Schwimmer und können auch breite Ströme problemlos durchqueren, außerdem lieben sie es, sich im Wasser abzukühlen.

    Dia 10 (Wasserweide)
    Gerne werden diese Bäder auch mit der Nahrungssuche verbunden. Dabei stehen die Tapire bis zum Kopf im Wasser und weiden so die Uferpflanzen ab. Sie können aber auch ausdauernd tauchen und weiden anscheinend auch den Grund von Gewässern. Die Nahrung der Tapire besteht aus Blättern, dünnen Zweigen, Knospen, Früchten und Wasserpflanzen.

    Dia 11 (Kopf)
    Beim Fressen bedient sich der Schabrackentapir seines Rüssels. Er kann mit ihm zwar nicht wie der Elefant Dinge aufnehmen, aber er kann beispielsweise Zweige und Schößlinge umgreifen und abrupfen. Beim Weiden am Boden ist der Rüssel dagegen eher hinderlich und wird deshalb zur Seite gebogen. Der Rüssel verleiht den Tapiren auch ihren ausgesprochen feinen Tastsinn, da er mit Tasthaaren besetzt ist, die bis an seine Spitze reichen. Mit seinem Rüssel prüft der Tapir seine nächste Umgebung und nimmt mit ihm auch Kontakt zu seinen Artgenossen auf. Auch der Geruchsinn des Tapirs ist sehr gut ausgeprägt, ebenso sieht und hört er ausgesprochen gut. Trotz seines primitiven Aussehens ist der Schabrackentapir ein sehr sensibles Tier, das auf die geringste Störung sehr empfindlich und schreckhaft reagiert.
    Die meiste Zeit des Jahres führt der Schabrackentapir ein sehr ungeselliges Leben, nur zur Paarungszeit, die zu jeder beliebigen Jahreszeit stattfinden kann, bleiben Männchen und Weibchen mehrere Tage beisammen. Das Weibchen ist 390 bis 405 Tage trächtig und wirft dann in einem trockenen Versteck im dichten Gebüsch ein Junges, das 10 kg schwer ist. Die Weibchen sind mit 3 bis 4 Jahren erwachsen, die Männchen erst mit 5 Jahren.

    Teil 3: Der Stand der Forschung

    Dia 12 (Gerne)
    Obwohl der Schabrackentapir als ein sehr eigenwilliges und interessantes Studienobjekt gelten kann, gibt es kaum Literatur über dieses Tier. Beschreibungen finden sich lediglich in Sammelbänden zu den Tieren Südostasiens oder in Enzyklopädien, wobei sämtliche Eintragungen große Ähnlichkeiten miteinander aufweisen und häufig auf Forschungsberichte aus dem letzten Jahrhundert zurückgreifen. Die Staatsbibliothek Berlin verzeichnet zwei längere Abhandlungen zum Thema Schabrackentapir, die sich allerdings mit sehr speziellen Fragestellungen beschäftigen: Robert Oskar Gustav Stjernmann veröffentlichte 1932 seine "Vergleichend anatomischen Studien über die Extremitäten-Muskulatur (Vorder- und Hintergliedmaßen) bei Tapirus indicus". Bronislaw Mark Honigberg schrieb 1947 über "The characteristics of the flagellate Monocercomonas verrens sp. n., from Tapirus Malayanus". Eine allgemeinere Abhandlung zu Verhalten und anatomischen Besonderheiten des Schabrackentapirs steht bislang aus.
    Auch Tierfilmer scheinen den Schabrackentapir bisher vernachlässigt zu haben, vermutlich weil die Tiere sehr scheu und nachtaktiv und daher schwierig zu filmen sind. Selbst in Naturfilmen über die Tropischen Regenwälder Südostasiens wird zwar gerne und ausführlich der Orang Utan gezeigt, der Schabrackentapir wird dagegen fast grundsätzlich übergangen.
    Im Internet gibt es eine empfehlenswerte Seite mit dem Namen "Tapir Net" (http://www.albany.net/~collfam/TapirNet.html), die eine Zusammenfassung kurzer Beiträge aus Enzyklopädien und Fachbüchern über die südostasiatische Fauna bietet. Der Schwerpunkt der Beiträge und Links liegt hier allerdings auf der Beschäftigung mit den amerikanischen Tapiren.

    Dia 13 (Freigehege)
    Die vielleicht einfachste Möglichkeit, die Besonderheiten des Schabrackentapirs zu studieren, bietet ein Besuch im Tiergarten. Der Berliner Zoologische Garten besitzt drei Exemplare, es gehört allerdings einiges Glück dazu, die Tiere in ihrem Freigehege anzutreffen: Da Schabrackentapire nachtaktive Tiere sind, verbringen sie den Tag häufig im Schatten, verborgen hinter einer Mauer im Freigehege oder dösend im Tapirhaus.

    Dia (Dösen)
    Die Tapirfamilie im Berliner Zoo besteht aus den erwachsenen Weibchen Lydia, Nora und deren Sohn Hanno (geboren 08.12.1996). Der Vater Bernhard ist leider schon vor einiger Zeit verstorben. Tierpfleger Günther Pott ist stets gerne bereit, Fragen zu seinen Schützlingen zu beantworten.